Ankommen

In keiner Stadt der Welt komme ich so gerne an wie in Helsinki.

Granit Stein Statuen von Helsinki Finnland Hauptbahnhof

Egal auf welchem Weg, immer werde ich umschmeichelt, bezirzt und willkommen geheißen. Die Ankunft mit einer der großen Schwedenfähren (die in Schweden verwirrenderweise Finnlandfähren genannt werden) geschieht in der Morgendämmerung. Mit einem Ehrengeleit elegant segelnder Möwen bahnt sich das Schiff seinen Weg durch die ruhigen Gewässer des finnischen Meerbusens. Vorbei geht es an winzigen Inseln, die hie und da mit einer kleinen roten Sauna bebaut sind oder einen Leuchtturm beherbergen. Vom Frühstückstisch auf dem Panoramadeck kann man besonders gut die Bewohner der etwas größeren Inseln beobachten wie sie angeln oder die Wäsche aufhängen. Ein Idyll, als wäre es für diesen einen Moment des Tages geschaffen, an dem die weißen Kreuzer an den Schären vorbeiziehen. Schon tauchen in der Ferne die der Stadt vorgelagerten Festungsinseln auf, dahinter, auf einem kleinen Hügel sitzt, wie eine Krone, der weiß strahlende Dom zu Helsinki. Minuten später schon flanieren wir über den bunten Markt am Hafenbecken, wo sich die Stände mit Bergen von frischen Beeren, Pilzen und traditionellen Backwaren gegenseitig überbieten. Der eindeutig finnische Kaffeeduft, herb und stark, steigt in die Nase. Ich bin angekommen. 

Zeit ein bisschen Finnisch zu lernen. Nein, entgegen der landläufigen Meinung ist die Sprache gar nicht so schwer. Schauen wir uns das Wort für Hauptbahnhof genauer an und zerlegen es fachgerecht: pää-rauta-tie-asema. Pää ist der Kopf oder das Haupt. Rauta das Eisen (praktischerweise heißt eine finnische Baumarkt-Handelskette K-Rauta). Tie ist der Weg und Asema der Hafen. Also heißt Hauptbahnhof im Finnischen schlicht Haupteisenweghafen. Macht Sinn, oder? 

Ankunft mit dem Zug aus St. Petersburg. Hier murmelt es. Die Finnen sind, außer im berauschten Zustand, ruhige Zeitgenossen. Niemals würden sie mit einer lauten Stimme die Aufmerksamkeit ihrer Mitreisenden auf sich ziehen wollen. Also murmeln sie. „Ah, schau mal, wir sind schon in Töölö. Jetzt aber rasch die Sachen eingepackt.“ „Hast Du den Sandkuchen von Oma auch wieder gut verstaut?“ „Den Johannisbeersaft…?“ Eine Japanerin schaut angestrengt über ihre Brille auf den Stadtplan von Helsinki und versucht sich zu orientieren. Eine freundliche Schwedin fragt sie diskret, wohin sie möchte, ob sie Hilfe braucht. Die Japanerin schüttelt den Kopf. Mit einem Ruck kommt der Zug im Kopfbahnhof zum Stehen. Vom Bahnsteig sind es nur wenige Schritte in die große Ankunftshalle eines jener Bauwerke, das in Helsinki im Stile der Nationalromantik errichtet wurde und seiner Zeit doch ungeheuer voraus war. Fragt man Besucher nach einer Einschätzung, wann der Hauptbahnhof wohl erbaut sein mag, kommt häufig die Antwort in den 20er, 30er Jahren? Stattdessen freut es den Finnen dann, wenn er sagen kann, dass der Bahnhof bereits 1914 mit seinem Spatenstich das Licht der Welt erblickte. Es war der finnische Architekt Eliel Saarinen (1873-1950), der einst dieses eindrucksvolle Gebäude entwarf. Er wird uns in dieser Stadt noch häufiger begegnen. Die Fassade aus finnischem Granit, der Uhrenturm und die beiden neben dem Haupteingang überragenden männlichen Statuen gelten als Wahrzeichen von Helsinki. Jeder hier kennt Werbespots, die die Männer mit den Globen in der Hand, lebendig werden ließ. Sie sind wie gute Kumpel, die auf die Stadt und auch den Erdball aufpassen während man verreist oder anderweitig beschäftigt ist.

Wenn ich hier ankomme, fühle ich mich geradezu persönlich begrüßt. „Moikka“ flüstern sie mir zu und blicken dabei streng geradeaus, um ihre Haltung nicht zu verlieren. Ich muss freilich trotzdem grinsen. 

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